2 - Tsingory der Tänzer

(unveränd. 2. Aufl. Feb 2014)

(Tsingory Mpandihy)

 

Ein Märchen vom Hochland (Imerina)

Text von Eric Ravalisoa, Bilder von Max Hariman.

 

(S.4) Eines Tages, Kinder, so wird in diesem Märchen im Imerina erzählt, hat Gott die Talente verteilt. Tsingory erhielt die Gabe, ein guter Tänzer zu werden. Alle freuten sich, die ihm beim Tanzen zuschauten. Musiker und Sänger begleiteten ihn.

(6) Einmal, so wird berichtet, sagte Tsingory zu seiner Mutter „Ich brauche eine schöne und ganz außergewöhnliche Stimme, die mich beim Tanzen begleitet.“ „Wo willst Du die herbekommen?“ fragte die Mutter. - Nach langem Überlegen kam Tsingory eine Idee.

 

(8) Ihm fiel der Vogel des Königs ein, ein Vogel mit einer wunderschönen Stimme, der noch dazu sehr gut trillern konnte. Ein jeder hätte ihn gerne besessen. So auch Tsingory.

 

(10) In einer stillen Nacht sagte er sich: wenn ich den Vogel des Königs fange, werde ich ihn singen lassen und danach tanzen.
Darüber bekam er heftiges Herzklopfen und konnte nicht mehr schlafen.

 

(12) Tsingory schlich sich zum Königspalast und hörte den Vogel seine Melodien zwitschern. Er sah ihn umherflattern und warf einen Stein nach ihm. Der Vogel stürzte herab und lag wie tot am Boden. Da ergriff Tsingory die Flucht.

 

(14) Der Steinwurf hatte die Wächter aufmerksam gemacht und sie versuchten, Tsingory zu fangen. Sie konnten ihn jedoch nicht erwischen. Zu Hause hatte ihn seine Mutter versteckt und in eine Matte gewickelt.

 

(16) Am nächsten Morgen verbreitete sich die Nachricht, daß Tsingory den Vogel des Königs mit einem Stein beworfen hatte. Der König gab Befehl, Tsingory zu verhaften. Daraufhin versammelte sich das Volk vor Tsingorys Haus.

 

(18) Verschiedene Musikinstrumente erklangen, eine Kabiro [mad.Trompete], eine Marovany [mad. Zupfinstrument], eine Trommel .... Die Leute sangen „Ist denn Tsingory zu Hause? Tsingory hat den Vogel des Königs getötet!“

 

(20) Tsingory zuckten die Füße vor lauter Lust am Tanzen. Das laute und fröhliche Treiben draußen auf dem Hof verstärkte seine Tanzlust. Aber seine Mutter verbot ihm, sich zu rühren. „Sie werden Dich umbringen, wenn Du hier rausgehst“, sagte die Mutter.

 

(22) Das Musizieren auf dem Hof draußen hörte nicht auf, und die Leute fragten weiter „Ist denn Tsingory zu Hause? Der König sucht ihn dringend.“ Da konnte Tsingory sich nicht länger zurückhalten, er sprang hinaus und fing an, vor den versammelten Leuten zu tanzen.

 

(24) Als der König  sah, wie kunstvoll Tsingory tanzte, ernannte er ihn zu seinem Hoftänzer.

 

(26) Inzwischen aber kam der Vogel wieder zu sich. Er trillerte und zwitscherte so schön, daß Tsingorys Tanzkunst noch besser wurde. Der König aber freute sich und folgte mit Wohlgefallen seinem Tanz, begleitet vom Gesang des Vogels.

 

Ein Märchen, ein Märchen – Geschichten, Geschichten.  Ich erzähle, ihr hört zu.  

(bpr & pfw, VI 12)