7 - Die hochnäsigen Schwestern

(Izy telo mirahavavy nanambady fosa) [die drei Schwestern, die Raubkatzen heirateten]

 

Ein Märchen der Betsimisaraka [Ostküste]

Text von Ny Eja, Bilder von Rainforest

 

(4) Es waren einmal, so erzählt man, drei Schwestern. Die älteste hieß Ravavimatoa, die mittlere Ravaviaivo und die jüngste Rafaravavy. Sie hatten einen einzigen Bruder, der Ifaralahy hieß. Sie waren sehr hochnäsig, und wann immer ein junger Mann ihnen einen Heiratsantrag machte, wurde er zurückgewiesen. Die drei Schwestern waren sehr anspruchsvoll, sie wollten nur schöne und reiche Männer heiraten.

(6) Eines Tages kamen drei prächtig gekleidete Jünglinge in ihr Dorf. Die drei Schwestern waren hingerissen, und als die jungen Männer um ihre Hand anhielten, willigten sie sofort ein und folgten ihnen.

(8) Da bat ihr jüngerer Bruder Ifaralahy „Nehmt mich doch mit, bitte“.  Ravavimatoa, die älteste, lehnte ab: „Wir haben einen weiten Weg vor uns, wir fürchten, du wirst es nicht schaffen, kleiner Bruder“. Doch Ifaralahy bettelte so sehr, daß seine Schwestern schließlich einwilligten.

(10) Als sie eine Weile gelaufen waren, baten die drei Männer die jungen Frauen  und den kleinen Bruder, eine Rast einzulegen. Sie wollten ihnen noch etwas zu essen besorgen.
Da bemerkte Ifaralahy, daß sie lange Ohren hatten. Er verriet seinen Schwestern: “Eure Männer sind gar keine richtigen Menschen, es sind Raubkatzen“.  Doch die Frauen wollten das zunächst nicht glauben.

(12) Erst abends gelangten die vier Geschwister an der Unterkunft an und legten sich zur Ruhe. Da riefen die Männer draußen lauernd „Schläfst du, Ravavimatoa? Hast du dich hingelegt, Ravaviaivo? Seid ihr schon eingeschlafen, Rafaravavy und Ifaralahy?“

„Wir schlafen nicht“, antwortete Ifaralahy, „wir haben Angst vor dem dichten Gebüsch und vor bösen Tieren“. „Keine Sorge, wir werden das Buschwerk beseitigen“, beschwichtigten die drei Männer und machten sich an die Arbeit. Erst jetzt merkten die drei Schwestern, daß sie tatsächlich lange Schwänze hatten, und daß ihre Männer keine Menschen waren. Sie ersannen einen Plan, wie sie ihnen entkommen konnten.

(14) Kurz darauf, es war schon stockfinster geworden, riefen die Männer wieder: „Schläfst du schon, Ravavimatoa? – Schläfst du schon, Ravaviaivo? – Schlaft ihr, Rafaravavy und Ifaralahy?“
Aber diesmal bekamen sie keine Antwort. Da brachen sie in die Hütte ein, um die Geschwister zu verschlingen. Doch wie groß war ihre Wut, als sie auf der Strohmatte, wo die vier gelegen hatten, nur vier Bananenstauden vorfanden!

(16) Rasend vor Wut machten sie sich an die Verfolgung der vier Geschwister. In ihrem Zorn und Hast übersahen sie eine Grube auf ihrem Weg und stürzten hinein. Nur mit Mühe kamen sie wieder heraus. Inzwischen waren die Flüchtenden schon weit weg.
Die Raubkatzen nahmen die Verfolgungsjagd wieder auf.

(18) Als die drei Schwestern und ihr Bruder an einen großen Baum kamen und ihre nahen Verfolger bemerkten, kletterten sie schnell hinauf. Die Raubkatzen entdeckten sie und versuchten, ihnen nachzuklettern. Doch die Geschwister schlugen sie mit Stöcken zurück. So entschlossen sich die Raubtiere, selbst nach dickeren Knüppeln zu suchen. Dies nutzten die vier Geschwister, um ihre Flucht fortzusetzen.

(20) Nach einer Weile gelangten sie an einen Felsen, sprangen hinauf und sprachen  zu ihm: “Lieber Fels, erhebe Dich und werde ganz groß, denn wir werden von Raubkatzen verfolgt“. Darauf wurde der Fels riesengroß und die vier saßen auf seinem Gipfel, unerreichbar für ihre Verfolger.

(22) Es dauerte nicht lange, und die Raubkatzen trafen am Fuß des Felsens ein. Sie stellten sich freundlich und riefen: “Wir tun Euch nichts, kommt doch herunter zu uns!“ Worauf Ifaralahy antwortete: “Gut, wir springen herab.“
Voller Freude und Begierde, die vier Geschwister endlich fressen zu können, reckten sie ihre offenen Mäuler hoch. Doch statt dessen schleuderte Ifaralahy große Steine hinein, die er vorher glühend heiß gemacht hatte. Die Raubkatzen schluckten sie wie Fliegen hinunter, verbrannten und waren tot.

(24) Die drei Schwestern waren überglücklich, dem Tod entkommen zu  sein. Sie dankten ihrem Bruder: “Danke, oh Ifaralahy, zum Glück bist du mit uns gekommen, du hast uns vor diesen gefährlichen, mordgierigen Raubkatzen gerettet.“

 (26) Heil und unversehrt kehrten die drei Schwestern und ihr Bruder Ifaralahy zu ihren Eltern zurück und erzählten, wie es ihnen ergangen war. Die Eltern freuten sich sehr, daß ihre Kinder entkommen konnten. Von nun an änderten sich die drei Schwestern, wurden sehr freundlich, bescheiden und verträglich zu ihren Mitmenschen. Sie heirateten alle drei rechtschaffene Männer und wurden glücklich.

Ein Märchen, ein Märchen.... (bpr & pfw I/14)