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10 - Soamandranovola und das große Krokodil

(Soamanandranovola sy Ravoaibe)

 

Ein Märchen der Antaimoro [Südosten]

Text von Ratsifa, Bilder von Ramika

 

 

 


 


 



(4) Früher, liebe Kinder, so erzählt man in der Gegend der Antaimoro, gab es keine Pirogen in Madagaskar, man überquerte einen Fluß mit Hilfe eines Krokodils.

Eines Tages wollte eine Königstochter namens Soamandranovola mit ihrer Freundin auf die andere Seite des Flusses übersetzen und rief Ravoaibe, das große Krokodil.



(6) Dieses kam herangeschwommen und die beiden Mädchen setzten sich auf seinen Rücken. Unterwegs konnte sich die Königstochter nicht zurückhalten und sagte frech:“ Das Krokodil stinkt, das Krokodil stinkt“. Ihre Freundin bat sie sehr, nichts zu sagen, doch sie sprach weiter “ Es riecht aber doch wirklich ganz schlecht!“



(8) Auf dem Rückweg hielt Ravoaibe die Königstochter zurück. „Deine Freundin kann gehen, du aber nicht.“ Zornig packte er Soamandranovola und glitt mit ihr langsam immer tiefer ins Wasser. Die Königstochter bekam Angst und rief:

„Oh, Herr Ravoaibe! Meine Füße werden naß!

Oh, Herr Ravoaibe! Meine Brust wird naß!“

 

 

(10) "Oh Herr Ravoaibe! Mein Mund wird naß!

Mein Kopf kommt unter Wasser, noch nicht ganz, aber er wird gleich unter Wasser sein."

Das wütende Krokodil versteckte das Mädchen in einer Höhle. Dann holte er seine Kinder und Enkelkinder zusammen, um mit ihnen seine Beute zu verspeisen.-




(12) Aber ehe das große Krokodil seine Kinder und Enkelkinder versammelt hatte, lief ein Ochse gerade über die Höhle und brach mit einem Bein durch die Decke ein. Soamandranovola konnte sich daran festhalten und herausziehen lassen. Dann kletterte sie auf einen Baum und versteckte sich.



(14) „Bringt sie her“, raunzte das große Krokodil, „sie ist in der Höhle“. Man schickte Diener aus – sie fanden nichts. Dann suchten die Anführer der Krokodile selbst in der Höhle – vergeblich.
„Wo ist sie nur hin?“ fragte Ravoaibe. Sie öffneten die ganze Höhle, aber Soamandranovola war spurlos verschwunden. Die Krokodilfamilie geriet in so große Wut, daß Ravoaibe sich selbst  aufopfern mußte, um ihre Freßgier zu stillen.



(16) Inzwischen war der König voller Sorge, weil seine Tochter nicht nach Hause kam. „Wo kann meine Tochter nur stecken?“ Darauf berichtete die Freundin „Wir waren zusammen, aber Ihre Tochter konnte sich nicht zurückhalten und sagte, das Krokodil rieche schlecht, und auf dem Rückweg hat es  sie festgehalten und ließ sie nicht gehen.“




(18) Der König sandte viele Diener aus, um Soamandranovola zu suchen. Sie suchten überall, aber sie fanden sie nicht.
Inzwischen saß Soamandranovola hoch auf dem Baum und bat alle Vögel, die vorbeiflogen, sie zu ihren Eltern zu bringen.



(20) Ein Rabe flog vorbei, aber er lehnte ab, weil er immer beschimpft wurde, wenn er mal mit dem Schnabel in eine Maniokwurzel hackte. Auch ein Webervogel (Fody) weigerte sich, weil man ihn immer verjagte, wenn er mal ein paar Körner Reis aufpickte. Da kam ein großer Vogel namens Vorondreo [Kurol]. „Oh, Herr Vorondreo. Bring mich bitte zu meinen Eltern. Du bekommst 3 Säcke Futter zur Belohnung.“ Und tatsächlich, Vorondreo war einverstanden  und nahm sie mit.



(22) Sie überflogen mehrere Dörfer. Überall ertönte die klangvolle Stimme von Vorondreo: „ Kreo, kreo, hier ist eine Nachricht für die Eltern von Soamandranovola! Sie wurde lange Zeit von einem Krokodil festgehalten.“ Dann flogen sie weiter. „ Kreo, kreo, hier ist eine Botschaft für die Eltern von Soamandranovola, die lange Zeit gefangen war bei Ravoaibe!“




(24) Eine alte Frau, die sich hinter den Häusern sonnte, hörte den Ruf und benachrichtigte den König. Dieser eilte herbei und und hörte die erneute Botschaft von Herrn Vorondreo.

“ Bring sie herunter! Hier ist ihr Vater, hier ist ihre Mutter“, rief der König ihm zu. Dann kam Ravorondreo mit Soamandranovola auf seinem Rücken herunter.


(26) Der König aber war überglücklich, sein Kind wohlbehalten wiederzusehen.
„Ich danke dir, Vorondreo, Gott segne Dich für deine Hilfe“, sagte der König und ließ ihm die versprochenen drei Säcke Futter bringen.

Er befahl, zehn Ochsen für die Krokodile im Fluß zu opfern, denn seine Tochter war in größter Todesgefahr gewesen. Dann lud er alle Bewohner des Dorfes ein, um mit ihnen die Rückkehr seiner Tochter zu feiern.

 

Ein Märchen, ein Märchen.... (bpr & pfw I/14)