Floh, Federling und Mücke waren einst große und starke Tiere. Sie wurden aber übermütig und vom Schöpfer dazu verdammt, in Zukunft als schwache kleine Tiere weiterzuleben.

 

Wie die Mücke und ihre starken Freunde ganz klein wurden

 

(Ireo biby telo matanjaka)

 

Text: Myriam Verenako, Bilder: Patoo

 

 

 

 

 

(4) Vor langer, langer  Zeit, so wird erzählt, liebe Kinder, waren die Mücken, die Flöhe und die Vogelläuse (Federlinge, Hühnerläuse) die stärksten Tiere auf der Welt. Und sie rühmten sich so sehr ihrer Größe und Kraft, daß sie in ihrem Hochmut keine Rücksicht kannten.

 

 

 

(6) Als die Zeit des Reisanbaus nahte, sagte die Mücke: „ Ich muß nach einer Stelle suchen, wo ich mein Reisfeld anlegen kann“.

 

Dann machte sie sich auf die Suche nach fruchtbarem Boden. Mehrere Tage ging sie hin und her durch das Land. Es dauerte lange, bis sie schließlich ein geeignetes Feld fand.

 

 

 

(8) Sie fing an, das Land sorgfältig vorzubereiten: sie bearbeitete den Boden, streute viel Asche als Dünger und ließ den Ackerboden von Zebus [Buckelrinder] stampfen. Nachdem der Boden richtig fruchtbar gemacht war, säte sie die Reiskörner aus.

 

Ihr Reis wuchs prächtig, alle waren voller Bewunderung. Sie jätete ihr Feld, als die Reishalme groß wurden und entfernte sorgfältig das Unkraut.

 

 

 

(10) Gerade zu dieser Zeit kam ihr Freund, der Floh, vorbei. Er trug eine riesengroße Axt auf der Schulter, wie sie heutzutage kaum zwei Männer tragen könnten, so schwer war sie.

 

Die Mücke sprach zu ihm: - „Ich grüße dich, wohin des Wegs?“ -

 

„ Sei mir gegrüßt! Ich gehe den großen Baum fällen, der östlich von Deinem Feld steht. Ich möchte daraus eine Piroge [Boot aus einem Baumstamm, Einbaum] bauen!“

 

Der Baum, den er fällen wollte, so erzählt man, war der größte und höchste Baum der Welt.

 

 

 

(12) Während der Floh sich bereit machte, erschien plötzlich der Federling (die Hühnerlaus). Er grüßte seine Freunde und sagte: - „ Gib mir Deine Axt, ich will dir deinen Baum fällen. Das ist eine Kleinigkeit für mich.“

 

- „ Nein danke“ erwiderte der Floh, „mache dir keine Umstände, ich möchte selbst meinen Baum fällen.“

 

- Die Hühnerlaus ließ aber nicht locker und bestand auf ihrer Absicht.

 

- „Laß mich das machen“, beharrte sie, „damit ich meine Kraft prüfen kann“.

 

 

 

(14) Der Floh gab ihr schließlich seine Axt, dann stellte er sich, auf seine Ellenbogen gestützt, neben den Baum, um die Laus genau bei der Arbeit beobachten zu können. -“ Geh bitte weg, denn der Baum ist sehr schwer, ich möchte nicht, daß er dich erschlägt“.

 

- „Mach Dir keine Sorge“, antwortete der Floh, „arbeite ruhig weiter!“

 

 

 

(16) Die Laus hob die Axt, schlug mit ihrer ganzen Kraft zu, und der Baum war mit einem einzigen Hieb vollständig abgehackt. Er stürzte zu Boden, aber im gleichen Moment spannte der Floh blitzschnell seine Muskeln und fing den Baum unversehrt auf. Dann bedankte er sich bei der Laus und zog mit dem großen Baum von dannen, als ob es ein kleines Holzbündel wäre.

 

 

 

(18) Er lief zum Ufer, um aus seinem Baum ein Boot zu machen. Dabei stapfte auf dem kürzesten Weg  quer durch das Reisfeld der Mücke. Die Reispflanzen wurden zertreten, die Stengel durchtrennt und die Halme fielen zu Boden.

 

 

 

(20) Die Mücke wurde zornig, als sie die Verwüstung sah.

 

- „Was fällt Dir ein? Das ist Bosheit! Warum bist Du nicht den normalen Weg gegangen, statt durch mein Reisfeld zu stapfen? Du hast meinen Reis ganz zerstört“

 

Der Floh tat so, als hörte er nicht und setzte seinen Weg fort, als sei nichts gewesen.

 

 

 

(22) Das machte die Mücke noch wütender, und als der Floh an ihr vorbeiging, griff sie mit beiden Händen den gefällten Baum, schleuderte ihn in die Luft und warf ihn schließlich mit voller Kraft weit weg, so weit, daß niemand sehen konnte, wo er herunter kam.

 

Aus den Zweigen dieses gewaltigen Baumes, so sagt man, liebe Kinder, seien die schönsten Bäume entstanden, die es heutzutage gibt.

 

 

 

(24) Als der Zanahary [Schöpfergott] das sah, wurde er zornig und sprach:

 

- „Ihr habt alle drei Böses getan: Du, Floh, du hast das Reisfeld Deines Freundes zerstört. Du, Mücke, hast das Holz deines Freundes weggeworfen, obwohl er dir gesagt hat, daß er es braucht. Und bei dir, Hühnerlaus, war die Verfehlung nicht so groß wie die Boshaftigkeit deiner Freunde, aber du rühmst dich zu sehr deiner Kraft und bist hochmütig geworden.“

 

 

 

(26) -“ Ich werde euch alle drei bestrafen. Ab heute werdet Ihr die kleinsten und schwächsten aller Tiere der Erde sein“.

 

Zanahary griff seinen Stock und schlug kräftig auf Laus, Floh und Mücke. Diese wurden langsam immer kleiner und so winzig, wie wir sie heutzutage kennen.

 

Diese drei bösen Tiere, so erzählt man es, liebe Kinder, sind also so klein geworden, weil der Zanahary sie bestraft hat.

 

 

 

Ein Märchen, ein Märchen, Geschichten, Geschichten

 

Ich erzähle sie euch, und ihr hört zu.

 

(bprpfw, 760)